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Das Persönliche Pflegebudget
Ein Projekt gefördert durch die Spitzenverbände der Pflegekassen gemäß § 8 Abs. 3 SGB XI
Entstehungsgeschichte und Struktur des Projektes
Die Diskussion um die Zukunft der Pflegeversicherung dreht sich meist um die Finanzierung und Finanzierbarkeit. Bedeutsam ist aber auch die Weiterentwicklung des Leistungsrechts. Im Rahmen der Experimentierklausel des § 8 Abs. 3 SGB XI, eingefügt durch das Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetz, fördern die Spitzenverbände der sozialen Pflegeversicherung das Projekt „Persönliches Budget“. In sieben Regionen der Bundesrepublik sollen bis zu 1.000 Personen die Chance erhalten, das Persönliche Pflegebudget zu erhalten. Eine ebenso große Kontrollgruppe soll es möglich machen, die Wirkungen des Pflegebudgets zu analysieren.
Träger des Projekts ist die Evangelische Fachhochschule Freiburg, Arbeitsschwerpunkt Gerontologie und Pflege unter der Leitung von Prof. Dr. Thomas Klie. Ein Forschungsverbund hat die wissenschaftliche Begleitforschung übernommen. Zu ihm zählen das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und das Freiburger Institut für Angewandte Sozialforschung (FIFAS).

Budgets im Trend
Budgets sind sozialpolitisch derzeit „in“. In der Behindertenhilfe werden sie bereits länger als Persönliches Budget erprobt. In der integrierten Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherungen werden Patientenbudgets ausgehandelt. Sowohl die Herzog- als auch die Rürup-Kommission empfehlen die Erprobung von Budgets im Bereich der Pflegeversicherung. Dies soll mit diesem Projekt geschehen. § 8 Abs. 3 SGB XI eröffnet die Möglichkeit zu einem der größten leistungsrechtlichen Experimente im Bereich der Pflegeversicherung.

Warum Pflegebudgets?

Mit der Einführung des Persönlichen Pflegebudgets sind bestimmte Erwartungen verbunden. Zu ihnen gehören:

* Flexibilisierung der Leistung der Pflegeversicherung und damit verbunden die bessere Berücksichtigung von bisher vernachlässigten Wünschen und Bedürfnissen Pflegebedürftiger, besonders von Menschen mit Demenz.
* Die Stützung häuslicher Pflege und Betreuung und damit verbunden die Vermeidung vorzeitiger Heimaufnahme.
* Unterstützung der Autonomie Pflegebedürftiger und ihrer Angehörigen und Stärkung ihrer „Kunden“-Position.
* Impulse für eine Weiterentwicklung der pflegerischen und betreuerischen Infrastruktur im Bereich der häuslichen Versorgung.

Mit dem Persönlichen Pflegebudget sind eine Reihe von Fragen verknüpft, die untersucht werden sollen:

* Wie kann die Qualität der Pflege und Betreuung sichergestellt werden, wenn der Pflegemarkt partiell dereguliert wird?
* Wie kann dem Missbrauch von Leistungen der Pflegeversicherung (so genannte Moral Hazard-Effekte) vorgebeugt werden?
* Welchen Einfluss hat ein Persönliches Budget auf die Pflege- und auf die Lebensqualität Pflegebedürftiger und pflegender Angehöriger?
* Stimuliert das Persönliche Pflegebudget gemischte Pflegearrangements, auch unter Beteiligung von bürgerschaftlich Engagierten?
* Für welche Bevölkerungsgruppen ist das Persönliche Pflegebudget besonders interessant?

Diesen Fragen soll im Laufe des auf fünf Jahre angelegten Projekts systematisch nachgegangen werden.

Care-Leistungen und Case Management
Das Pflegebudget wird als Geldleistung in Höhe der Sachleistung je Pflegestufe ausgezahlt und soll zum Einkauf von Care-Leistungen dienen. Sowohl die Pflegebedürftigen als auch die Pflegedienste sind beim Pflegebudget vom Verrichtungsbezug des § 14 SGB XI befreit. Das Leistungsspektrum kann damit ausgeweitet und dem individuellen Bedarf und den Bedürfnissen angepasst werden. Für den Wert der bisherigen Sachleistungen in Geld sollen sich Pflegebedürftige, begleitet durch verbindliches Case Management, individuell ihre Leistungspakete zusammen stellen, ggf. aufgestockt durch eigene Mittel und ergänzende Leistungen der Sozialhilfe. Unberührt bleiben Leistungen der Häuslichen Krankenpflege, aber auch Leistungen der Eingliederungshilfe: Ein integriertes Budget ist im Rahmen dieses Modellvorhabens nicht vorgesehen Der Einkauf von Care-Leistungen ist grundsätzlich frei. Er ist nicht beschränkt auf zugelassene Pflegedienste. Auch die Preise sind nicht vorgegeben. Gleichwohl gibt es Restriktionen.
Das Pflegebudget darf nicht eingesetzt werden für die Entlohnung von Angehörigen und ebenso wenig für Schwarzmarktleistungen. Um die Qualität der Pflege und Betreuung sicher zu stellen, auch um die Pflegebedürftigen überhaupt in die Lage zu versetzen, das Pflegebudget einzusetzen, die notwendigen Aushandlungen mit den Pflegediensten vorzunehmen, werden Case Manager eingesetzt. Diese werden im Rahmen eines Assessments den Hilfe- und Betreuungsbedarf erheben, die Qualität der Pflegesituation im Blick haben und abgestimmte, den individuellen Bedarf und Bedürfnissen entsprechende Hilfen sicherstellen helfen.

Wer kann Budgetnehmer werden?
Generell richtet sich das Pflegebudget an alle Personen, die im Leistungsbezug des SGB XI stehen. Grundsätzliche Voraussetzung ist also die Begutachtung und eine entsprechende Pflegeeinstufung. Primär richtet sich das Pflegebudget an folgende Teilnehmer:

* Alle Erstantragsteller
* Alle Bezieher von Leistungen der Pflegeversicherung, die einen Antrag auf Höherstufung stellen
* Alle Sachleistungsbezieher
* Alle Personen, die aus dem Krankenhaus mit dem Verdacht auf baldige Pflegebedürftigkeit entlassen werden

Zusätzlich zu diesen Personen können in zwei Regionen (Stadt Erfurt, Stadt München) auch Geldleistungsbezieher aufgenommen werden. Ausgeschlossen ist der Leistungsbezug des Pflegebudgets für die Gruppe der so genannten Pflegestufe 0 und die Bezieher von Kombi-Leistungen. Auch Versicherte der Privaten Pflegeversicherungen können an dem Projekt nicht teilnehmen. Alle Interessenten für die Leistungen des Pflegebudgets werden in einem randomisierten Verfahren der Programmgruppe bzw. der Kontrollgruppe zugewiesen. Insofern besteht für die Interessenten lediglich eine Chance von 50 Prozent, auch tatsächlich Pflegebudgetleistungen zu erhalten.

Wer kommt als Dienstleister für die Budgetleistungen in Betracht?
Zunächst sind zugelassene Pflegedienste angesprochen. Diese können allerdings für die Budgetnehmer ihr Leistungsspektrum deutlich diversifizieren, ggf. freie Mitarbeiter hierfür verpflichten. Ebenfalls möglich sind Dienstleistungen u.a. durch freiberufliche Einzelpersonen.

Erwartungen an die Beteiligten
Die Erprobung des Pflegebudgets und der Erfolg des Projektes ist von verschiedenen Voraussetzungen abhängig. Ohne eine aktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Pflegekassen, den Medizinischen Diensten der Krankenkassen (MDK) und den Kommunen ist sowohl die Gewinnung als auch die Begleitung der Budgetnehmer und der Kontrollgruppenteilnehmer nicht zu gewährleisten. Das Projekt lebt von der aktiven Mitgestaltung aller, die für die Sicherstellung der Pflege Verantwortung tragen. Dazu gehören die Pflegekassen ebenso wie die Professionellen der Pflege, die Familien, die Kommunen, die Freiwilligendienste etc. Der neue Ansatz hat dann eine Chance, wenn ihn alle fördern und ihn auf seine Zukunftstauglichkeit testen. Pflegekassen und MDK sind in besonderer Weise gefordert: Sie können das Vertrauen der Pflegebedürftigen in das Pflegebudget stärken, können die Informationen vermitteln, können im Rahmen der Begutachtung Informationsaufgaben wahrnehmen. Die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Case Managern sollte für alle Seiten von Nutzen sein. Sie bringt Entlastung für den MDK, garantiert fundierte und leistungsrechtübergreifende Pflegeberatung und kann dazu beitragen, dass die Leistungen der Pflegeversicherungen in Zukunft als zentraler und stabilisierender Beitrag für häusliche Pflegearrangements gewertet werden.

Zentrale Rolle des Case Managements
Allenthalben wird gefordert, Methoden des Case Managements und den Aufbau entsprechender Strukturen im Bereich der Altenhilfe, im Gesundheitswesen, aber auch in der Pflege zu fördern. Case Management kommt im Projekt „Persönliches Pflegebudget“ eine zentrale Rolle zu. Integriert in das Projekt ist eine Case-Management-Ausbildung im Rahmen eines Kontaktstudiengangs. Case Manager erhalten eine wichtige Assessmentfunktion, begleiten den Pflegebedürftigen und seine Angehörigen bei der Gestaltung des Pflegearrangements, unterstützen ihn ggf. bei der Aushandlung mit Pflegediensten, die die Pflege übernehmen. Ihre Ansiedlung wird, je nach den örtlichen Bedingungen, zumeist bei der Kommunalverwaltung angegliedert.
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